
Dreieich | Am 22. März 2025 lud die Wolfstieg-Gesellschaft zu einem Präsens-Kolloquium auf die Burg Hayn in Dreieich ein. Die Burg Hayn ist eine Ruine, die einen intakten Turm und einen großen Burgkeller beherbergt. Der Ort wurde deshalb ausgewählt, weil der Burgkeller einem Mithräum sehr ähnelt und weil sich Dreieich geographisch im Zentrum der bis dato in Südwest-Deutschland gefundenen Mithräen befindet. Die Wolfstieg-Gesellschaft versucht Orte als Veranstaltungslokalitäten zu nutzen, die auch thematisch zu den Inhalten des jeweiligen Kolloquiums passen. Im Fall des Mithras-Kolloquiums ist das außergewöhnlich gut gelungen.
Über 50 Teilnehmende, teils Fördermitglieder und teils Interessierte, kamen an dem von gutem Wetter begleiteten Wochenende zusammen. Die Besucher des Kolloquiums reisten von überall an: Zürich, Leipzig, Passau und Osnabrück, um nur ein paar Orte zu nennen. Um die Stimmung weiter einem Mithräum anzunähern, wurden an den Wänden entlang Bildplatten aufgehängt, die durch indirektes Licht angestrahlt wurden. Die Bildplatten zeigten die sieben Stufen, die ein Mithras-Anhänger durchwandern konnte und die auch in den Vorträgen immer wieder aufgegriffen wurden. Öllämpchen und antike Theater-Masken wurden ebenfalls zur Schau gestellt. Umrahmt wurde einer der Seitengänge von einem Büchertisch. Alkoholfreie Getränke und Kaffee waren in der Tagungsgebühr enthalten.

Vortrag 1
Dr. Andreas Hensen: Die römischen Mysterien des Mithras im Spiegel der aktuellen Forschung

Vortrag 2
Markus G. Schlegel: Wie Mithras u.a. das Christentum und die Freimaurerei beeinflusste

Vortrag 3
Giovanni Grippo: Mithras: Ordo ab chao – vom Chaos zur Ordnung
(Nadine Grimmig (MA): Die Symbolik und die neuplantonischen Ursprünge des Mithras-Kultes)
Aufgrund der beruflichen Absage von Nadine Grimmig wurde die Reihenfolge der Verträge umgestellt und als Überraschung ein Ersatzvortrag zu Beginn des Kolloquiums angekündigt.

Vortrag 4
Dr. Michael Rohschürmann: Der Nachklang des Mithras in der vertraglichen Moral der großen Religionen


Zunächst stellte das Gründungsmitglied Arno Moos die Wolfstieg-Gesellschaft vor, wie sie in pandemischen Zeiten aus dem Nichts neugegründet wurde und zu einer Erfolgsgeschichte heranreifte, die ihres Gleichen sucht. Denn die Gesellschaft wuchs von ursprünglich acht Gründungsmitgliedern auf insgesamt 300 Mitglieder an, es wurden rund 400 Online-Vorträge über Zoom gehalten und weltweit Abordnungen implementiert. Über 14 Online-Magazine und 15 WSG-Bücher wurden noch dazu veröffentlicht, sowie neun Bücher erworben und allen Mitgliedern und Fördermitgliedern zur Verfügung gestellt. Er betonte, wie glücklich er sei, Teil dieser Geschichte zu sein, und wie stolz er darauf sei, dass er gemeinsam mit seinem Freund, Freimaurer-Bruder und Gründungsvorsitzenden Giovanni Grippo diesen Weg gegangen ist.

Als erster hielt Dr. Michael Rohschürmann seinen Vortrag „Der Nachklang des Mithras in der vertraglichen Moral der großen Religionen“. Darin wurde der Vergleich gezogen, dass der Vertragsbund, d.h. Verträge zwischen den Völkern unter den Schutz eines Gottes gestellt wurden. Eine der ältesten Erwähnungen solch eines Vertragspaktes ist zwischen den Hethitern und den Mittani bereits im 14. Jahrhundert v. Chr. geschlossen und unter den Schutz des Gottes Mithras gestellt worden. Der vertragsbindende Handschlag, „Dexiosis“ genannt, sowie die Formel „pacta sunt servanta“, d.h. „Verträge sind einzuhalten“, gehen u.a. auf solche Vertragsbünde des Mithras zurück.

Danach verglich der WSG-Vorsitzende Markus G. Schlegel in seinem Vortrag „Wie Mithras u.a. das Christentum und die Freimaurerei beeinflusste“ die sieben Weihegrade des katholischen Priestertums mit den sieben Graden des Mithras-Kultes. Die Gemeinsamkeiten waren sehr auffällig. Das Datum des „Sol invictus“ (unbesiegbare Sonne) am 25.12. ist eines von vielen derartigen Beispielen, die sich finden lassen.
Es gab eine reiche Auswahl an hervorragendem Fingerfood und Chili-con-Carne in der einstündigen Mittagspause. Dabei wurde über die Vorträge, das Ambiente, die Lokation und das gesamte Arrangement lebhaft diskutiert. Die Bücher wurden beschnuppert und die Ausstellungsstücke unter die Lupe genommen. Die Teilnehmenden genossen bei einem Spaziergang die Mittagssonne und schauten sich auf dem weitläufigen Gelände der Burgruine um, das direkt an die mittelalterliche Altstadt grenzt.

Nach der Mittagspause gab der renommierte und bekannteste Mithras-Forscher Dr. Andreas Hensen mit seinem Vortrag „Die römischen Mysterien des Mithras im Spiegel der aktuellen Forschung“ den Teilnehmenden einen Einblick in die neuesten Forschungsergebnisse und wie viele Rätsel noch ungelöst seien. Er selbst kam gerade von einer Forschungsreise aus Ostia zurück. Dort wurde 2022 das 18. Mithräum gefunden. Die Teilnehmenden konnten damit ganz frische Fotoaufnahmen bewundern, die so die Öffentlichkeit bisher nicht gesehen hat.

Der Überraschungsvortrag entpuppte sich als ein Meisterwerk zwischen Animation und Projektion. Giovanni Grippo, Gründungsvorsitzender der Wolfstieg-Gesellschaft hielt den Vortrag „Mithras: Ordo ab chao – vom Chaos zur Ordnung“. Er begann mit einem Zeichentrickfilm, der den Schöpfungsmythos des Mithras, mit prächtigen Farben und Bildern untermauerte. Aus dem Schöpfungsmythos allein konnten so viele Anleihen des katholischen Christentums beim Mithras-Kult gefunden werden. Das heranwachsende Christentum sah zunehmend den Mithras-Kult als ernstzunehmenden Konkurrenten, obwohl er trotz seiner Beliebtheit nie zum Staatskult oder zur Staatsreligion erhoben worden ist. Nach dem Vergleich mit christlichen Inhalten und Anleihen ging es zum astronomisch-astrologischen zweiten Teil seines Vortrages, in dem die Himmelsbeobachtungen mithräische Kulthaltung vorgaben, die sich auch in den archäologischen Ausgrabungen bestätigt finden. Interessanterweise konnte der Überraschungsvortrag viele lose Enden aufgreifen und die Vortragsreihe damit perfekt abschließen.
Fast die Hälfte der Teilnehmenden nahm noch ein Abendessen in einem nahe gelegenen Restaurant zu sich. Die Gespräche kreisten über die Wolfstieg-Gesellschaft, das Kolloquium und die verbliebenen Rätsel des Mithras. Die meisten waren sich einig, dass das Kolloquium in ein paar Jahren zu wiederholen sei. Vielleicht wird dann sogar eine zeremonielle Weihehandlung des Mithras-Kultes nachgestellt werden.