Am Samstag, den 23.11.2024, fand im traditionsreichen Mannheimer Logenhaus ein Freimaurer-Kolloquium der Wolfstieg-Gesellschaft (abgekürzt WSG) statt; organisiert von ihrer Abordnung Rhein-Neckar. Das Kolloquium widmete sich der Schottischen Freimaurerei, d.h. mit dem 4° Grad und den damit in Relation stehenden Hochgraden. Zentrales Thema, das sowohl historisch als auch rituell eine herausragende Rolle in der Freimaurerei spielt und geografisch nur am Rande etwas mit Schottland zu tun hat. Die Veranstaltung lockte Schwestern und Brüder aus aller Herren und Frauen Länder an, die sich mit großer Begeisterung an den intensiven Vorträgen und Diskussionen beteiligten.
Inhaltsverzeichnis:
Eröffnung und Vorstellung der Wolfstieg-Gesellschaft
Vielfältige Vorträge über die Schottische Andreasmaurerei und andere Systeme
1. Vortrag: „Historia brevis der Schottischen Andreasmaurerei“ – Br. Michael Smuda
2. Vortrag: „Universeller Alter Angenommener Schottischer Ritus (AASR)“ – Sr. Mechthild Brenne
3. Vortrag: „York-Ritus: Vom Markmeister bis zum Maurer vom königlichen Bogen“ – Br. Martin Spanier
4. Vortrag: „Große Landesloge der Freimaurer von Deutschland“ – Br. Wolfram Arton
5. Vortrag: „Strikte Observanz der Templer“ – Br. Giovanni Grippo
6. Vortrag: „Rektifizierter Schottischer Ritus“ – Br. Alexander Griesbach
Eröffnung und Vorstellung der Wolfstieg-Gesellschaft
Nach der Begrüßung und einer kurzen Einlassphase eröffnete der Mitgründer und Altvorstand Br. Arno Moos die Veranstaltung. In seinem einleitenden Vortrag stellte er die Arbeit der Wolfstieg-Gesellschaft vor und brachte seinen Stolz zum Ausdruck, wie aus pandemischen Zeiten eine Gesellschaft wiedererwuchs, die sich der Förderung, der Erforschung freimaurerischer Geschichte, dem Symbolismus und der Ritualistik widmet. Dabei betonte er die Bedeutung des Austauschs und der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit den verschiedenen Riten und Graden der Freimaurerei, auch über dem Meistergrad (3°) hinaus. Der Zusammenhalt in der WSG-Führungsriege sei beispiellos und der vertraute Umgang innerhalb der Gesellschaft sei außergewöhnlich gut. Er wies auch die Angriffe verschiedener Großlogen und Hochgrad-Systeme zurück und bat um gegenseitige Achtung und Zusammenhalt innerhalb aller freimaurerischen Vereinigungen und Körperschaften.
Vielfältige Vorträge über die Schottische Andreasmaurerei und andere Systeme
Das Programm war vielfältig und hochkarätig besetzt. Insgesamt wurden von den sieben Vorträgen sechs gehalten, die einen umfassenden Einblick in die verschiedenen freimaurerischen Traditionen und Rituale des 4° Grades boten. Den 4° Grad kann man allgemein als Schottische Andreasmaurerei bezeichnen. Um vorneherein Klarheit zu schaffen, wurde bereits mit der Einladung der Link zu den korrelierenden Graden versendet:
Br. Kai Stührenberg konnte aus beruflichen Gründen nicht am Kolloquium teilnehmen, so dass sein Vortrag über den „Schottischen Meistergrad“ im ältesten Freimaurersystem Deutschlands „Große National-Mutterloge Zu den drei Weltkugeln“ leider nicht gehalten werden konnte.
1. Vortrag: „Historia brevis der Schottischen Andreasmaurerei“ – Br. Michael Smuda
Br. Michael Smuda eröffnete mit einer fundierten historischen Analyse, die die Ursprünge und Entwicklung der Schottischen Andreasmaurerei beleuchtete. Er führte aus, wie die Schottische Freimauerei ihren Namen erhielt, hauptsächlich aus Frankreich stammte und welche Bedeutung sie für die heutige Freimaurerei habe. Drei Kerndaten waren ihm wichtig:
- Ab 1741 nimmt die Schottische Andreas-Maurerei nach Andrew Michael Ramsay Eingang nach Deutschland.
- Ab 1751 die nimmt Schottische Andreas-Maurerei nach dem System der Strikten Observanz Eingang nach Deutschland.
- Ab 1769 nimmt die Schottische Andreas-Maurerei nach dem Schwedischen System Eingang nach Deutschland.
2. Vortrag: „Universeller Alter Angenommener Schottischer Ritus (AASR)“ – Sr. Mechthild Brenne
Im zweiten Vortrag präsentierte der Souveräne Großkommandeur des „Universellen Alten Angenommenen Schottischen Ritus“ (abgekürzt UAASR) Sr. Mechthild Brenne eine informative Betrachtung beginnend mit dem Geheimen Meister (4°) bis hin zum Großen Auserwählten und Erhabenen Maurer (14°). Sie erläuterte die Symbolik und Lehren dieser Grade, sowie deren Zusammenhänge. Sie verwies darauf, dass nicht alle Grade bearbeitet würden, außer dem 4°, 9° und 14° Grad, aber den Aspiranten die anderen Grade in text- und instruktionsform zur Verfügung stehen würden. Der UAASR bezeichne sich selbst als Orden und sei Freimaurerinnen und Freimaurer ab dem Meistergrad (3°) offen, wenn sie zwei Jahre in diesem Grad tätig gewesen seien. Im ursprünglichen Anwerberkonzept sollten Mitglieder des Ordens interessierte Freimaurermeister/innen ansprechen, was aber aufgrund der bundesweiten Tätigkeit nicht möglich ist, so dass man sich nun auch selbst bewerben könne, wenn Interesse bestünde. Der Orden habe sich 2010 aus drei Mitgliedern des maskulinen Zweigs heraus gegründet, um auch Freimaurerinnen Zugang zum System zu ermöglichen.
3. Vortrag: „York-Ritus: Vom Markmeister bis zum Maurer vom königlichen Bogen“ – Br. Martin Spanier
Br. Martin Spanier stellte den York-Ritus vor und beleuchtete insbesondere die Grade vom Markmeister (4°) bis zum Maurer vom Königlichen Bogen (7°). Br. Spanier unterstrich in seinem Vortrag, das der aus USA stammende York-Ritus in drei Körperschaften unterteilt ist: Kapitel, Konzil und Komturei. Er legte großen Wert auf das rituelle Lernen, die Demokratie und Gleichheit untereinander. Die Arbeit im Kapitel im York-Ritus führt durch vier Grade: (4.) Markmeister, (5.) Altstuhlmeister, (6.) Sehr vortrefflicher Meister und (7.) Maurer vom Königlichen Bogen: Demut und Suche nach spiritueller Erleuchtung. Dieser Grad endet mit der Wiederentdeckung des „verlorenen Meisterwortes“.
Br. Spanier betonte, dass das System die persönliche Entwicklung und die praktische Umsetzung freimaurerischer Ideale im Alltag fördere. Es kombiniere biblische, symbolische und ethische Elemente und lädt Brüder zur inneren Reflexion und Weiterentwicklung ein. Nur Brüder, denn das System ist in Deutschland nur Freimaurermeistern zugänglich. Das System bezeichne sich selbst nicht als Hochgrad-System, sondern als Seitengrad-System. Daher sei die Nummerierung nur für die Orientierung nützlich, aber stelle nicht eine feste Rangfolge dar.
4. Vortrag: Die Andreasmaurerei in der „Großen Landesloge der Freimaurer von Deutschland“ – Br. Wolfram Arton
Der Vormittag schloss mit einem Vortrag von Br. Wolfram Arton, der die Grade der Andreasfreimaurerei (4°/5° bis 6°) innerhalb der „Großen Landesloge der Freimaurer von Deutschland“ erläuterte. Sein Vortrag zeichnete sich durch detailgetreue Bilder der Logenräume und Utensilien aus. Besonderen Wert legte er dabei auch auf die geometrischen Zusammenhänge der Symbole und Symbolabbildungen innerhalb der Andreasmaurerei nach Schwedischem Vorbild, denn die „Große Landesloge der Freimaurer von Deutschland“ stützt sich, wie alle skandinavischen Freimaurerorden, auf die sogenannten „Eckleffschen Akten“ von 1750/51 und sind rein maskulin.
In diesem Zusammenhang verwies er auf das Buch „Das Reißbrett des V. Grades“, womit das Reißbrett des Andreasmeisters gemeint ist, das voller geometrischer Zeichen und Symbole ist. Bis 1978 war der Andreasmeister-Grad der V. Grad in Deutschland. Danach passte man die Zählweise an die schwedische an, wonach der Andreasmeister-Grad der VI. Grad wurde. Es war aber damals nur ein rein politisches Kalkül, denn die Inhalte der Grade blieben unverändert. Die Wolfstieg-Gesellschaft hat einige Exemplare des Werkes „Das Reißbrett des V. Grades“ erworben und ist gerne bereit, diese an interessierte Brüder und Schwestern weiterzureichen.
Mittagspause mit Buffet
Nach den intensiven Vormittagsvorträgen hatten die Teilnehmenden Gelegenheit, sich bei einem reichhaltigen italienischen Buffet innerhalb der Tagungsräume zu stärken. Diese Pause wurde intensiv für den Austausch genutzt. Man mag es kaum glauben, aber solch ein systemübergreifender Austausch finde viel zu wenig statt, wurde allgemein beklagt.
5. Vortrag: „Strikte Observanz der Templer“ – Br. Giovanni Grippo
Der Vorsitzende der Forschungsloge „Les trois colonnes“ Br. Laurent Bernhart und die Sekretärin Sr. Sylvie Testard konnten leider aus beruflichen Gründen nicht am Kolloquium teilnehmen und haben Br. Giovanni Grippo gebeten, diesen Part zu übernehmen. Die französische Forschungsloge hat ein Freundschaftsabkommen mit der Wolfstieg-Gesellschaft geschlossen, der mit einem außerordentlich erfolgreichen Start in Wilhelmsbad 2023 in den historischen Räumlichkeiten des gleichnamigen Konvents bei Hanau besiegelt wurde.
Br. Giovanni Grippo zeigte anhand des Schottischen Meisterrituals von 1741 von Br. Andrew Michael Ramasys, dass Karl Gotthelf von Hund und Altengrotkau, der Gründer der Strikten Observanz, 1742 auf einer Reise nach Brüssel nach genau diesem Ritual zum Schottischen Meister wurde. In ihm finden sich neben dem Rachegedanken und Jakobiten-Hinweise (Schwur auf den König von Schottland) auch Harodim-Symbolismus aus York und alchemistische Komponenten. – Dieses Ritual war wohl dann Grundlage für die Gestalter des Schottischen Meistergrades der Strikten Observanz; denn Br. von Hund hatte alle ritterlichen Komponenten entfernt, damit sie später in seinem Rittergrad (6°) wieder auftreten konnten. Den Ausführungen von Br. Grippo zufolge, lag Br. Eckleff sicherlich dasselbe Ritual vor, als er in Schweden seine Andreasgrade formte. Interessant dabei ist, dass Br. von Hund und Br. Eckleff unterschiedliche Komponenten aus dem Ramsay-Ritual nahmen, um ihre Systeme zu etablieren. Beide wurden von dem hehren Gedanken getragen, ein einzigartiges Hochgrad-System in der Freimaurerei zu schaffen.
6. Vortrag: „Rektifizierter Schottischer Ritus“ – Br. Alexander Griesbach
Den Abschluss des Kolloquiums bildete der Vortrag von Br. Alexander Griesbach, der den „Rektifizierten Schottischen Ritus“ und dessen Schottischen Meistergrad (4°) in der Schweiz und in Deutschland vorstellte. Seine Ausführungen zeigten, dass sich der „Rektifizierte Schottische Ritus“ aus der „Strikten Observanz“ entwickelt und noch die alte Anzahl von sechs Graden beibehalten hat. Deutlich war zu sehen, dass der Bezug zu den Tempelrittern und deren Wiedererstehung auch im martialischen Sinne, komplett durch das Konzept „der wohltätigen Ritter der heiligen Stadt“ ersetzt wurde. Das „Unabhängige Priorat von Helvetien“ war damit das letzte Überbleibsel der „Strikten Observanz“, aber in abgewandelter Form. Br. Griesbach reicherte seine Ausführungen durch die Vorstellung des gesamten Hochgrad-Systems an und zeigte die Regalia der drei Grade: (4°) Schottischer Meister, (5°) Schildträger-Novize und (6°) Wohltätiger Ritter der heiligen Stadt.
Resonanz und Ausklang
Die Veranstaltung bot nicht nur Einblicke in die Vielfalt der freimaurerischen Traditionen, sondern stärkte auch die Verbundenheit unter den Schwestern und Brüdern.
Das Kolloquium wurde von den Teilnehmenden als großer Erfolg gewertet. Besonders hervorgehoben wurden die fundierten Vorträge, die familiäre Atmosphäre und die Möglichkeit zum fachlichen Austausch. Das Kolloquium wurde auch als Novum verstanden, denn ein Austausch zwischen den männlichen und weiblichen bzw. gemischten Systemen fand bis dato überhaupt nicht statt. Die Wolfstieg-Gesellschaft konnte erneut ihre Bedeutung als Plattform für freimaurerische Forschung und Bildung unter Beweis stellen. Angesichts der positiven Resonanz solle es regelmäßiger zu solchen Veranstaltungen kommen und das zum Wohle der Weltfreimaurerei.