Bericht zum WSG-Kolloquium in Wilhelmsbad/Hanau

Die Wolfstieg-Gesellschaft (WSG) hat am 08. Juli 2023 eine bemerkenswerte Ankündigung gemacht: Karl Gotthelf von Hund, der Gründer und Förderer des freimaurerischen Systems der Strikten Observanz aus dem 18. Jahrhundert, wird nach fast drei Jahrhunderten posthum rehabilitiert. Das Kolloquium befasste sich thematisch mit dem Wilhelmsbader Konvent von 1782. Dabei konzentrierten sich die Referenten auf bestimmte Aspekte. Die Veranstaltung fand in den gleichen historischen Räumlichkeiten von Wilhelmsbad statt. Das historische Ambiente beherrschte die gute Gesamtstimmung.

Die Wolfstieg-Gesellschaft hat Historiker und Forscher versammelt, um die Leistungen von Karl von Hund neu zu bewerten. Die Ergebnisse dieser Neubewertung werden im Kolloquiumsband „Wilhelmsbad I“ festgehalten, der den Mitgliedern gegen Ende des Jahres kostenlos zur Verfügung gestellt werden wird. Interessierte Nichtmitglieder haben ebenfalls die Möglichkeit, den Band über die Website der Gesellschaft zu erwerben: www.wolfstieg-gesellschaft.org

Für die Vorträge konnten in chronologischer Reihenfolge gewonnen werden:

  • Giovanni Grippo: Der Wilhelmsbader Konvent und seine Auswirkung auf die europäische Freimaurerei
  • Dr. André Kervella: Carl Gotthelf von Hund und Altengrotkaus Aufenthalt 1742-1743 in Frankreich[1]
  • Markus Meumann und Dr. Olaf Simons: Die Illuminaten und der Wilhelmsbader Kongress
  • Michael Vesper: Aufklärung und Esoterik – Die Doppelhelix im Leben und Wirken des Johann August (von) Starck

Zu Beginn der Veranstaltung stellte der Vorsitzende Markus G. Schlegel die Wolfstieg-Gesellschaft vor und zeigte neben den vielen Online-Angeboten die beachtliche Veranstaltungs- und Veröffentlichungsstatistik auf, die seit dem 27.05.2020 ihren Lauf nahm. Mit rund 300 Mitgliedern ist sie neben der Forschungsloge „Quatuor Coronati“ (ca. 1.600 Mitglieder laut eigener Homepage) und der Forschungsvereinigung Frederik (ca. 800 Mitglieder laut eigener Homepage) die dritte freimaurerische Forschungskraft in Deutschland. Dabei ist sie unabhängig und öbodienzübergreifend und schließt im Gegensatz zu den beiden genannten alle Grade ein vom 1. bis zum 99.

Bericht zum WSG-Kolloquium in Wilhelmsbad/Hanau am 08.07.2023 Bild 2
Bericht zum WSG-Kolloquium in Wilhelmsbad/Hanau am 08.07.2023 Bild 2

(v.l.n.r. Markus G. Schlegel, Sylvie Testard, Giovanni Grippo und Laurent Besnard)

Laurent Besnard, Vorsitzender der Forschungsloge „Les 3 Colonnes“, stellte auf Französisch seine Bemühungen und die Arbeit seiner Forschungsloge vor. Denys Malherbe, Vorsitzender Meister der modernen Strikten Observanz in Blois, übersetzte simultan seine Ausführungen, da nicht alle Teilnehmer der französischen Sprache mächtig waren. Bei „Les 3 Colonnes“ handelt es sich um eine Forschungsloge, die der Großloge der „Stricte Observance de Templiere“ angehört, und die die anfängliche Arbeit der Forschungsgruppe in den Jahren 1993-1997 zur Widergründung der Strikten Observanz in Frankreich ab 2014 fortführt.

Nach den Ausführungen zu beiden Gesellschaften unterschrieben die beiden Vorsitzenden einen Freundschafts­vertrag und beteuerten die Wichtigkeit der weiteren und verstärkten Zusammen­arbeit. Im Vorhinein hatten sich Delegierte beider Gesellschaften in Verdun und Straßburg getroffen, um das anstehende Freundschaftsverhältnis zwischen beiden Ländern und Gesellschaften zu bekräftigen und einen Ausblick auf eine gemeinsame Zukunft zu gestalten.

Den Auftakt machte Giovanni Grippo. Er führte über die „Glorious Revolution“ 1688 aus, dass diese Vertreibung von Jakob II. von England vom britischen Thron eine Reihe von Ereignissen auslösen sollte, die in der deutschen freimaurerischen Landschaft heute noch spürbar sind. Wichtig dabei war zu betonen, dass die Templermaurerei, d.h. die mit den Tempelrittern des 12. bis 14. Jahrhunderts im 18. Jahrhundert verbundenen Freimaurerei, seit ihrem ersten Auftreten um 1737 nie aufgehört hat, zu existieren und das bis auf den heutigen Tag. Reichsfreiherr von Hund und Altengrotkau war u.a. das Opfer der nach Jakob II. benannten Jakobiten, die ihn – aber auch viele andere – in ihr Netzwerk einspannten, um den katholischen Stuarts wieder auf den britischen Thron zu verhelfen.

Dr. Dr. André Kervella, der leider persönlich verhindert war, gab in seinem Beitrag einen Einblick in die Erforschung des verschollenen Tagebuchs indem jene Einträge zu Hunds Aufenthalt in Frankreich in den Jahren 1742/1743 näher beleuchtet wurden. Dabei konnten verschiedene Mitwirkende identifiziert werden, die zuvor unbekannt oder unter den damals üblichen Ritternamen lange verborgen geblieben waren. Die meisten Aussagen aus seinem Tagebuch konnten im Kontext ihrer Zeit bewiesen werden. Sie führten u.a. zu einer Rehabilitation von Carl Gotthelf von Hund und Altengrotkau. Es blieben wenige Unklarheiten offen, die aber in den nächsten Jahren aufgeklärt werden sollen und ggf. bei einem nächsten Kolloquium präsentiert werden können.

Das Kolloquium würdigte Carl Gotthelfs Werk als bedeutenden Beitrag zur Freimaurerei und eröffnete eine neue Perspektive auf sein templerisches Erbe in der europäischen Freimaurerei. Durch eine gründliche geschichtliche Überprüfung seines Lebens und Wirkens, sowie durch neu aufgekommene Erkenntnisse sehen Historiker ihn nicht länger als Scharlatan an, sondern als engagierten Freimaurer, der politischen Intrigen zum Opfer fiel. Seine außergewöhnliche Hingabe für die Strikte Observanz und sein Verzicht auf persönlichen Wohlstand zugunsten des Ordensgedankens verdienen eine weitaus höhere Wertschätzung als bisher geschehen. Trotz der Anfeindungen und Verfolgungen blieb Von Hund bis zu seinem Tod fest davon überzeugt, ein Botschafter der im 14. Jahrhundert verbotenen und im 18. Jahrhundert wieder auftretenden Tempelritter zu sein. Er widmete der Strikten Observanz all seine Zeit und sein Vermögen.

Die beiden Forscher Dr. Meumann und Dr. Simons des Forschungszentrums Gotha der Universität Erfurt zeigten die aktuellen Forschungsergebnisse zu den Illuminaten auf. Durch die Umgestaltung des Systems der Illuminaten nach dem Beitritt von Von Knigge (1780) wurde der Illuminaten-Orden zu einem tragfähigen Geheimbund. Außerdem wurde dargelegt, dass lange nach dem Verbot in Bayern die Illuminaten in anderen Fürstentümern fortwirkten. Um der Komplexität der Interaktionen zwischen Mitgliedern des Ordens selbst aber auch der Freimaurerei, die tatsächlich von den Illuminaten unterwandert wurde, darzustellen, wurde eine Datenbank namens FactGrid implementiert, um dieser Mammutaufgabe Herr zu werden. Durch diese Datenbank konnten gut 3.500 Logen und nicht ganz 10.000 Personen hauptsächlich des 18. Jahrhunderts eingeordnet werden. Es wurde auch der Appell seitens Dr. Simons gestartet, dass sich Logen und Logenarchivare an der Erweiterung der Datenbank beteiligen sollten. Dies sei für die Forschung hilfreich und wünschenswert.

Bericht zum WSG-Kolloquium in Wilhelmsbad/Hanau am 08.07.2023 Bild 3
(links Dr. Olaf Simons, rechts Dr. Markus Meumann)

Dr. Vesper führte in das Leben von Johann August Starck ein, einem Theologen, Freimaurer und Esoteriker. Starck war ein Verfechter der Aufklärung und beteiligte sich an kirchen- und dogmenkritischen Studien. Er war auch in der Freimaurerei aktiv und veröffentlichte Schriften über den Zweck der Freimaurerei und die alten sowie neuen Mysterien. Sein Weltbild basierte auf einer Stufenlehre des Wissens, bei der einige Menschen tieferes Wissen erlangen können als andere. Starck war daran interessiert, das verlorene Wissen der antiken Mysterien wiederherzustellen und sah dies als Teil seines Erkenntnisinteresses. Er wurde sowohl für seine dogmenkritischen Ansichten als auch für seine esoterischen Interessen kritisiert.

Starck entwickelte sein System namens „Klerikat“ auf der Grundlage von Legitimation, Tradition, Rituale und einer geheimen Lehre, die er kontinuierlich erforschte. Die Integration des Klerikats in die Strikte Observanz wurde mit den Essenern verbunden, die geheimes Wissen über den Heilsplan zur „Reinigung“ der Welt besäßen. Die Übertragung dieses Wissens geht von Noah über Moses bis hin zu Hermes Trismegistos. Seine Abhandlungen berichten u.a. auch über die Geschichte des Ordens bis zur Zerschlagung der Templer und die spätere Erneuerung des geistlichen Kapitels in Frankreich und Deutschland.

Zum Abschluss des Kolloquiums fand eine Führung durch den Wilhelmsbader Park statt. Die Teilnehmer und mitgereisten Partner konnten die Privatgemächer des Fürsten einsehen und wurden in den im Gebäude integrierten Logenraum geführt. Die Alchemisten-Grotte war genauso ein Highlight wie die Grabmahl-Pyramide, um die sich verschiedene aber auch freimaurerische Legenden ranken. Die Parkführerin Fr. Gudath gab auch einige pikante Details aus dem Leben des Fürsten Wilhelm I. von Hessen-Kassel preis, und konnte außerdem über die freimaurerischen Umtriebe des Fürsten einiges berichten.

[1] Aus dem Französischen von Dr. Denys Malherbe auf Deutsch vorgetragen.