Projekt die Hohe Ägyptische Freimaurerei
Cagliostro bezog laut dem Inquisitionsbericht (1791) von Monsignore Giovanni Barberi die Idee zu seiner “Hohen Ägyptischen Freimaurerei“ aus einem Manuskript, das er angeblich in einem Londoner Buchladen (1776) gefunden hat. Dieser Text soll von einem Mann namens George Coston (oder Cofton) geschrieben worden sein. Sicherlich muss man nach den neuesten Forschungsergebnissen von Philippa Faulks Und Robert L. D. Cooper den Schöpfer des Hochgradsystems und das Hochgradsystem selbst sehr differenziert betrachten.
Cagliostros drei Grade entsprechen laut dem Lyoner Manuskript (1784) der geistig-alchemistischen Wandlung (der Metanoia) der Individualpersönlichkeit. Es geht um die vier Elemente und deren Erlösung im fünften Element, d.h. im Geist (Äther) und der damit verbundenen Wiederaufrichtung des gefallenen Menschen. Der obere Punkt des Pentagramms repräsentiert dabei den Geist bzw. den Äther, die anderen vier repräsentieren Erde, Feuer, Wasser und Luft. Durchläuft der Kandidat – wie gleich anhand der Grade beschrieben werden wird – die Etappen der “Hohen Ägyptischen Freimaurerei“ – und damit die vier Elemente – vergeistigt er sich und wird zum fünften Element, zum Geist, zum Äther selbst.
Jedes der vier Elemente repräsentiert einen eigenen Aspekt der geistig-alchemistischen Wandlung der menschlichen Persönlichkeit. Die Erde symbolisiert den Instinkt; Feuer – den Willen; Wasser – die Emotionen und Luft – den Intellekt. Der Kandidat lernt auf dem schmalen Weg der Tugend den Instinkt (Erde), den Willen (Feuer), die Emotionen (Wasser), den Intellekt (Luft) selbst zu beherrschen, um mündig (Geist/Äther) zu werden:
Text aus dem Ägyptischen Meistergrad:
Wenn du aufrichtig wünschst, das Wissen über den Großen Gott, das Universum und über dich selbst zu erlangen, musst du zustimmen, zu versprechen sowie zu geloben, dein vergangenes Leben hinter dir zu lassen und deine Angelegenheiten so zu regeln, dass du ein freier Mensch werden kannst.
Alle Ägyptischen Meister tragen in den Ritualen eine feuerfarbene Schärpe über einem weißen Gewand, die von rechts nach links getragen wird u.a. als Hinweis, dass sie bereits als ‚Ägyptische Lehrlinge‘ allegorisch durch das Feuer gegangen sind; weiter tragen die Ägyptischen Meister weiße Schuhe für die Erde und einen blauen Seidengürtel über dem weißen Gewand für das Wasser. Das weiße Gewand selbst steht für die Luft. Der Ägyptische Meister selbst repräsentiert die Vergeistigung.
Kammer der Reflexion
In der „Kammer der Reflexion“ befindet sich auf der Schautafel eine Pyramide mit einer Höhle/Grotte darunter. Es handelt sich dabei um eine Anspielung auf das Wort »Vitriolum«, das erstmals in der Schrift »L‘Azoth des philosophes« (1659) wie folgt thematisiert wird: »Visita interiora terrae, rectificando invenies occultum lapidem, veram medicinam«, was zu Deutsch heißt: »Betrachte, was im Inneren der Erde liegt: indem du es läuterst, wirst du einen zuvor verborgenen Stein erhalten, das wahre Heilmittel.«
Genau um dieses Heilmittel und um den verborgenen Stein der Weisen geht es im restlichen Aufbau des weiterführenden Hochgradsystems der “Hohen Ägyptischen Freimaurerei“. Die „Kammer der Reflexion“ steht für das Element Erde und sie ist ein Anspielung auf das 1. Moses 2,7: „Und Gott der HERR machte den Menschen aus einem Erdenkloß, uns blies ihm ein den lebendigen Odem in seine Nase. Und also ward der Mensch eine lebendige Seele.“
Die „Kammer der Reflexion“ steht ebenso für das vergangene Leben aber auch für die Grade der Johannis-Freimaurerei bzw. der blauen Grade, so liest man im Lyoner Manuskript:
Statuten der Hohen Ägyptischen Freimaurerei:
3. Wer die Mysterien der Hohen Ägyptischen Freimaurerei erfahren möchte, soll sich zunächst als Freimaurer in eine Loge des herkömmlichen Ritus aufnehmen lassen und durch Bescheinigung seiner Meister nachweisen, dass er die Verleihung der Grade: Lehrling, Geselle, Meister und Erwählter Meister [Antients-Tradition] erlangt hat.
Lehrlingsgrad der Hohen Ägyptischen Freimaurerei
Im schwarzen Anzug und mit verbundenen Augen (Augenbinde) wird der Kandidat in den Tempel geführt. Im Lehrlingsgrad wird der Kandidat mit dem Feuer rituell gereinigt; daher steht der Lehrlingsgrad der “Hohen Ägyptischen Freimaurerei“ für das Element Feuer. Aus der Erde entstanden und durch das Feuer gereinigt. Nachdem der Schwur geleistet wurde, kleidet ihn der Ehrwürdige Meister während des Rituals in ein ganz weißes Gewand über den schwarzen Anzug ein, das mit einer weißen Kordel [Zingulum] umgürtet wird. Die Farbe weiß des Zingulum ist hier als Farbe der Reinheit und nicht der Unschuld zu verstehen.
Gesellengrad der Hohen Ägyptischen Freimaurerei
Im Gesellengrad ist der Kandidat wieder in einem schwarzen Anzug aber erhält vor der Aufnahme einen blauen Seidengürtel (aber keine Binde mehr); einerseits als Hinweis auf das Element Wasser und andererseits um ihn von einem Kandidaten des Lehrlingsgrades zu unterschieden. Die einstige Unschuld des Menschen – die selbstverschuldete Unmündigkeit – wird durch die Wiederaufnahme (Vereinleibung/Trinken) der „prima materie“ (d.h. der verlorene Stein, der Stein der Weisen, die Urmaterie) in Form einer roten Flüssigkeit (meistens Wein) aufgehoben. Nach dem Schwur legt ihm der Ehrwürdige Meister über den schwarzen Anzug und dem blauen Seidengürtel das gleiche weiße Gewand wie im Lehrlingsgrad an und umgürtet ihn ebenfalls mit derselben weißen Kordel [Zingulum]. Die Farbe weiß des Zingulum ist hier als Farbe der ‚Unschuld zu verstehen.
Meistergrad der Hohen Ägyptischen Freimaurerei
Als Reminiszenz an den Lehrlingsgrad der “Hohen Ägyptischen Freimaurerei“ trägt der Kandidat wiederum nur einen schwarzen Anzug; aber dieses Mal sind weder die Augen mit einer Binde bedeckt noch ist er mit einem blauen Seidengürtel bekleidet. Im Meistergrad werden genau über den Stellen, wo sich Kohlebecken und die vier Tetramorphen Wesen (Löwe, Adler, Stier und Mensch) befinden werden – vom Ehrwürdigen Meister mit seinem Schwert vier Kreise in die Luft gezeichnet (Element Luft). Der Ehrwürdige Meister oder sein Stellvertreter ziehen dem Kandidaten nach dem Schwur nun erneut: weiße Tunika, weiße Schuhe und dem blauen Seidengürtel aber dieses Mal über dem Gewand getragen; und er erhält feierlich die rote Schärpe der Ägyptischen Meister, die von rechts nach links getragen wird.
Von nun an trägt der neue Meister der “Hohen Ägyptischen Freimaurerei“ diese oben beschriebene Bekleidung des Meistergrades bei jeder rituellen Arbeit.
In der Rückschau des Meistergrades der “Hohen Ägyptischen Freimaurerei“ stehen daher die vier Tetramorphen Wesen auch für die christlichen Evangelisten und für die einzelnen Grade selbst. So ist das “’Element Erde“‘ in der „Kammer der Reflexion“ auch gleichzeitig der Stier und der Evangelist Lukas; das Element Feuer im Lehrlingsgrad steht gleichzeitig für den Löwen und den Evangelisten Markus. So ist das Element Wasser im Gesellengrad auch gleichzeitig der Mensch und der Evangelist Matthäus und das Element Luft im Meistergrad symbolisiert gleichzeitig den Menschen und den Evangelisten Johannes. Ganz bewusst ist also das Johannis-Evangelium der Abschluss dieses weiterführenden Hochgradsystems.
Links
Florian Ebeling: “Ägyptische Freimaurerei“ in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts http://archiv.ub.uni-heidelberg.de/propylaeumdok/2041/1/Ebeling_Aegyptische_Freimaurerei_2009.pdf
Ägyptische Mysterien: Reisen in die Unterwelt in Aufklärung und Romantik: eine kommentierte Anthologie, Jan Assmann, Florian Ebeling, 2011 – https://books.google.de/books?id=6JxuepyfA-wC&printsec=frontcover&hl=de&source=gbs_ge_summary_r&cad=0#v=onepage&q&f=false
Forschungsprojekte des Ägyptologischen Instituts: „Ägyptische Freimaurerei“ zwischen Aufklärung und Romantik – Ägyptenrezeption als transdisziplinäre Kulturwissenschaft – http://www.uni-heidelberg.de/fakultaeten/philosophie/zaw/aegy/freimaurerei.html
O Isis und Osiris. Freimaurer und Ägypten http://www.hannover.de/Veranstaltungskalender/Ausstellungen/O-Isis-und-Osiris.-Freimaurer-und-%C3%84gypten